für Büro KLK
2017, Wien, Österreich
Publikation
Architektur Aktuell – ARCHITECTS 2024
Die schönsten Restaurants & Bars, 2019
Le sfide dell’architettura #29/2018
architektur.aktuell 464 November 2018
20er, 11/2017
Auszeichnung für das Bauwerk
2019, R&B Award
2019, Big See Architecture Award
2017, American Architecture Prize
Unter die Erde
In Zeiten, in denen Mietpreise jenseits von „Land in Sicht“ treiben, macht es Sinn, auch an ungewohnten Orten nach Möglichkeitsräumen zu suchen. So geschehen in der Wiener Berggasse. [ weiter ]
Eine Hauswand. Sie gehört zu einem mehrgeschoßigen Kasten aus der Gründerzeit, frisch saniert, mit feinen Fenstern. Aus manchen drängen Lichtstrahlen nach außen, es ist Nacht. Direkt am Bürgersteig gibt es eine kleine Türe, zwei weiß gestrichene Flügel. Daneben: nichts. Kein Schaufenster, keine Reklame. Nichts.
Der Schritt nach innen bleibt vorerst unbelohnt. Dunkle Stimmung, wenig Licht. Ein auf das Nötigste reduziertes Entree. Nach wenigen Schritten ein massiver Treppenabgang. An dieser Stelle bekommt man erstmals das Gefühl, hier am Beginn von etwas zu stehen, das man so nicht erwartet hat. Wenige Schritte weiter trifft einen das mit voller Kraft. Wo sich vor den Bauarbeiten Erde und Stadt verschränkten, die Räume bis oben hin mit Schutt und Dreck gefüllt waren, findet sich heute ein fein ausgetüfteltes Raumkonglomerat. Es pendelt zwischen roh und glamourös.
Die Cocktailbar „Krypt“ hat sich diese unterirdischen Räumlichkeiten ausgesucht. Und so, nach einigem Staunen, etwa über das überhohe, sakral wirkende Gewölbe, findet man sich an einem langen Tresen ein. Ein massiver Holzblock, der das feingliedrige Ziegelmauerwerk kontrastiert. Folgt man der eigenen Neugier, so wird man mal weitere, mal engere Bereiche antreffen, mal mehr und mal weniger an anderen Barbesuchern anstreifen. Dabei stößt man auf fein gearbeitetes Interieur, perfekte Details, spannende Lichtlösungen und prägende, gleichsam stark reduzierte Materialien.
Dass der unterirdische Raum das Potenzial hat, zur Zeitkapsel zu werden, ist im Rahmen der hier vorliegenden Raumnut- zung kein ungewollter Nebeneffekt. Aus der Situation ergibt sich eine Frage: Sollten wir uns vermehrt mit der Möglichkeit beschäftigen, nach vollgeräumten Dachböden auch Keller sinnvoll zu bespielen? Womöglich!
Die Bar „Krypt“ zeigt, dass es möglich ist, einen unterirdischen Raum so zu transformieren, dass dieser in Sachen Raumklima, Atmosphäre und Spannung vielen oberirdischen, hier sind sowohl Neubau als auch Bestand gemeint, um Längen überlegen ist. Das Beispiel ist also mehr als eine Bar im Untergeschoß. Es bringt all jene in Argumentationsnotstand, die glauben, die letzten Quadratmeter Wiesenfläche mit wenig Durchdachtem bebauen zu müssen, um so folgenden Generationen ihren Gestaltungsspielraum zu rauben.
Das zwei Geschoße unter Sigmund Freuds Heimatgasse gelegene „Krypt“ ist im schönen Wien gerade einer jener Orte, die man gesehen haben darf. Vor kurzem erhielt es im Rahmen des American Architecture Prize eine Auszeichnung. Gestaltet wurde es von den Architekturschaffenden Theresia Kohlmayr, Christian Knapp und Jonathan Lutter. Ein junges Gespann, das seit Jahren mit gelungenen Interventionen auffällt. Teil der Werkliste ist unter anderem die neu erfundene Gastronomie von Schloss Ambras nahe Innsbruck.
(Text für 20er 11/2017)