für Matthias Hein
2016, Zwischenwasser, Austria
Publikation
Best Of Austria 2016-2017
20er, 06/2017
VN, Leben & Wohnen, 30./31.01.2016
Auszeichnung für das Bauwerk
2020, Hypo Bauherrenpreis Vorarlberg – Anerkennung
2017, Constructive Alps – Nominierung
2017, klimaaktiv Auszeichnung Gold
2017, Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit 2017
Zwischenwasser – Ein Gemeindehaus wird Bindeglied für Ortsteile
Das Gemeindehaus von Zwischenwasser wirkt auch nach über 80 Jahren noch identitätsstiftend. Mit einem neuen Innenleben versehen, wurde es zu einem Anker für die weit verstreute Vorarlberger Gemeinde. Es ist nicht das erste Beispiel gelungener Architektur im Ort. [ weiter ]
Die Ortsteile der Gemeinde Zwischenwasser, Batschuns, Dafins und Muntlix verfügen jeweils über Kirche, Volksschule und Kindergarten. Sehr viel Eigenständigkeit und aufgrund der geographischen Zerstreutheit sehr viele Wegkilometer dazwischen. All das über die Jahrzehnte gefestigt. Ein Umstand, der in diversen Gemeindeausschüssen zu Diskussionen über die kostspielige Erhaltung der langen Verbindungswege und die Gleichbehandlung von Gemeindeteilen führt. Besprochen und gelöst wird all dies im 2015 wieder eröffneten Gemeindehaus.
Das Bauwerk, es gehört zu dem in der Talsohle gelegenen Ortsteil Muntlix, ist heute alt und neu zugleich. Ursprünglich entstanden ist es in den 1930er-Jahren, war also schon Teil der Gegend, als die damals noch unvereinten Staaten Europas sich und ihre Bewohner gegenseitig bekämpften. Bis 2013 beheimatete das Haus Gemeindeverwaltung und Kindergarten. Als die kleinen Menschen der Gemeinde 2013 in den nebenan errichteten Neubau übersiedelten, mussten die Verantwortlichen die Zukunft der Kubatur diskutieren.
Diese stand nicht unter Denkmalschutz, hätte ohne weiteres durch einen Neubau ersetzt werden können. Jedoch, so der Konsens, durfte der identitätsstiftende Bau, der so lange eine zentrale Rolle im Gemeindeleben spielte, nicht verschwinden. So schrieb man einen anonymen Architekturwettbewerb aus, dessen Ergebnis eine zentrale Frage beantworten sollte: „Wie bereitet man einen in die Jahre gekommenem Bau auf die kommenden Jahrzehnte vor?“
Die Antwort dazu fand der von Bregenz aus tätige Architekt Matthias Hein mit seinem Team. „Die Substanz war gut erhalten und für einen Umbau, was Größe und Struktur betrifft, bestens geeignet“, erklärt Matthias Hein. Und fährt fort: „Ein Haus muss ein Lieblingsstück für viele Generationen sein, denn ressourcenschonend ist ein Gebäude nur, wenn man es lange nutzen kann und will.“ Dass diesem Ansatz ausschließlich die Verwendung ökologisch unbedenklicher Materialien entspricht, versteht sich von selbst. Spaziert man heute auf den, auch nach der Sanierung wie eh und je in altrosa gehaltenen Bau zu, so lassen sich aus der Ferne kaum Veränderungen ausmachen.
Spätestens wenn eine der ebenerdig arbeitenden Gemeindemitarbeiterinnen freundlich durch eines der großen Fenster nach außen winkt, ereilt einen der Gedanke, dass eben dies in vergangenen Jahren nicht so gewesen sein dürfte. War es auch nicht. Bis zum Umbau hatte man ein paar Stufen zu nehmen, ehe man in eine der Amtstuben schielen durfte. Ein Umstand, den das Architektenteam beseitigte. Der im Erdgeschoss gelegene Raum zur Bürgerinformation wurde sozusagen auf Gemeindeniveau abgesenkt, ist heute barrierefrei erreichbar. Große Fenster ermöglichen eine für das Gemeindeleben nicht unwesentliche wortlose Kommunikation zwischen Innen und Außen. Und sie spenden den dahinter schaffenden Mitarbeitern helle Arbeitsverhältnisse.
Die Gemeinde Zwischenwasser nimmt im Umland seit einiger Zeit eine Art Vorbildrolle in Sachen Baukultur, Bürgerbeteiligung und Klimaneutralität ein. Und das nicht aus Gründen einer gelungenen Außendarstellung. Die Kommune versucht seit der Zeit von Langzeitbürgermeister Josef Mathis, dieser wurde 2013 von Kilian Tschabrun abgelöst, einer spannenden Idee gerecht zu werden: öffentliche Bauten sollen eine Vorbildwirkung auf die Bürger haben. Um dies zu schaffen, wird in Zwischenwasser nicht hinter verschlossenen Türen gemauschelt, es wird offen und mit allen diskutiert. Anstatt Bauaufträge innerhalb abgeschlossener Freundeskreise zu verschieben, werden Architekturwettbewerbe ausgeschrieben. Das Energieleitbild der Gemeinde bekennt sich zu einer nachhaltigen Energiepolitik. Dazu werden alle Bürger eingeladen sich an der Entwicklung der Gemeinde aktiv zu beteiligen.
Sucht man den Bürgermeister, so findet man diesen meist in dem direkt über der Amtsstube gelegenen Großraumbüro. Dieses erreicht man über ein unverändert gebliebenes Treppenhaus. Sonst ist im Obergeschoss nur wenig, wie es war. Ein helles, von hellhölzernen Möbeln dominiertes Großraumbüro ersetzt die ehemals aneinander gereihten Arbeitszimmer. Und forciert die direkte Kommunikation zwischen Besuchern und Mitarbeitern. Und weil auch in Zwischenwasser regelmäßig Diskretion, oft gar höchste Konzentration nötig ist, lässt sich der Langraum auf unkomplizierte Weise durch gläserne Türen in kleinere Einheiten portionieren. Schlendert man durch die Gemeinde, so lässt sich vielerorts Gebautes entdecken, das durch eine niemals blinde Offenheit in Sachen Baukultur entstand. Das zweitjüngste Beispiel hierfür ist der direkt neben dem Gemeindehaus ausgeführte Kindergarten – eine Art Pavillon.
Auch dieser wurde, ebenfalls nach einem anonymen Wettbewerb, von Matthias Hein realisiert. „Wir waren überrascht und froh zugleich, dass Matthias Hein auch den Wettbewerb zum Gemeindehaus gewinnen konnte. Denn die Zusammenarbeit war zu jedem Zeitpunkt sehr konstruktiv“, beschreibt Bürgermeister Kilian Tschabrun. Als Baumaterial kam für den Kindergarten Holz aus gemeindeeigenen Wäldern zum Einsatz – wiederum ein Zugriff auf lokale Ressourcen. Direkt unter dem Dach des Gemeindehauses wird das Raumgefühl von dem alten, seit Bestehen des Hauses existierenden Gebälk bestimmt. Es wurde freigelegt und in die Raumstruktur eingeflochten. Ein großer und ein kleiner Saal rahmen gehobene Anlässe ebenso wie Yogastunden und Ausschusssitzungen. Zwischen den Räumen, zwischen Worten und Taten, gibt es einen Vorbereich mit kleiner Versorgungseinheit. Denn auf ein gutes Stück Käsebrot, einen Schluck Zwischenwasser, wird in Vorarlberg nicht vergessen.
(Text für 20er 06/2017)